Denk- und Produktionsort
Sophie Innmann

"Die residency in Libken lief unter dem Titel «into the fields». Dies nahm ich beim Wort und begab mich vor Ort auf ausgedehnte Streifzüge durch die eiszeitlich geprägte Landschaft. Immer dabei: Feldstecher, Kamera und Audio recorder."

Sophie Innmann schloss 2014 ihr Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe als Meisterschülerin von Leni Hoffmann ab. Seit 2015 lebt und arbeitet sie ohne festen Wohnsitz. Ihre projektbezogenen Arbeitsaufenthalte führten sie unter anderem nach Paris, Barcelona, Minneapolis, Moskau, Yogyakarta, Plowdiw, Elefsina und Berlin. Der Logik dieses Lebenswandels folgend, interessiert sich Innmann für Netzwerk-Strukturen, Archivierung von Handlung, das Erscheinen und Verschwinden. Ihre Arbeiten manifestieren sich in unterschiedlichen Medien, die der jeweiligen Notwendigkeit der Arbeit zugrunde liegen. Seit 2019 forscht sie mit ihrem Kunstlieferdienst „GoArtist“ an neuen Erfahrungswegen zeitgenössischer Kunst und versucht einen kritischen Diskurs zum Thema unreflektierten digitalen Konsums anzustoßen.
Ein wichtiger Teil Innmann‘s künstlerischer Praxis ist es, Künstler*innen zu vernetzen, sei es in gemeinsamen Projekten oder von ihr kuratierten Ausstellungen wie z.B. ANTHROPOZÄNTA. Ihre Arbeiten werden auf internationaler Ebene gezeigt, so u.a. in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden, der Kunsthalle Basel, dem Museum of Modern Art Moskau oder dem Kunstmuseum Stuttgart. 2020 erhielt sie das Arbeitsstipendium der Stiftung Kunstfonds Bonn.

https://sophieinnmann.com/
Instagram: @sophie_innmann


Hinweis zum Sprachgebrauch: In meinen Texten verzichte ich bei Personenbezeichnungen auf die Nennung der weiblichen, männlichen und diversen Form. Stattdessen wird das generische Femininum verwendet, welches alle Menschen adressiert und in allen Fällen, in denen dies nicht explizit ausgeschlossen wird, für alle Geschlechtsidentitäten gilt. Da jedes menschliche Leben in einem weiblichen Körper entsteht, beinhaltet das Weibliche alle Daseinsformen. Musik die dazu passt: ok.danke.tschüss - Muschigeburt - YouTube

Die residency in Libken lief unter dem Titel «into the fields». Dies nahm ich beim Wort und begab mich vor Ort auf ausgedehnte Streifzüge durch die eiszeitlich geprägte Landschaft. Immer dabei: Feldstecher, Kamera und Audio recorder. Neben der Tierwelt, insbesondere dem Artenreichtum an Vögeln, weckten sofort die sogenannten „Sölle“ mein Interesse. Sölle sind Vertiefungen, entstanden durch Eisblöcke, die mit Sediment umlagert wurden. Im Volksmund werden sie als „Augen“ bezeichnet. Mit meinem Fernglas beobachtete ich von nun an das Treiben in und um die Sölle, aber auch den Mond und den nächtlichen Sternenhimmel mit vorbeiziehenden Satelliten und der internationalen Raumstation ISS.
So wie wir durch ein Teleskop Sterne am Nachthimmel beobachten und somit in vergangene Zeiten sehen, da das Licht der Sterne Jahrtausende brauchte, um bis zur Erde zu gelangen, so sind die Sölle die Augen in eine Jahrtausende zurückliegende Zeit auf unserer Erde. Heute sind sie Lebensraum für zahlreiche Spezies und Rückzugsort für Wild, wenn Sie sich dem Sichtfeld der Jägerinnen entziehen wollen, die ihre Blicke durchs Fernglas über die Felder streifen lassen. Diese Verbindungen setzte ich schließlich in der Videoinstallation Feldblende (Die Augen) ins Bild. Außerdem entstand die ortsbezogene Videoarbeit 20250410-1831-1854-LibkenC5, welche sich mit dem Gebäude von Libken und seiner Einbettung in die Landschaft, seiner Geschichte und der seiner Bewohnerinnen auseinandersetzt. Es handelt sich um einem Plattenbau aus dem Jahr 1965, in dem zu Zeiten der DDR Arbeiterinnen der lokalen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) wohnten.
Erweitert und verortet war diese künstlerische Praxis durch die intensive Interaktion mit den anderen Stipendiatinnen: in nächtlichen Diskussionen sprachen wir über gelesene Lektüren, gemeinsam Gesehenes und geteilte Erfahrungen bezogen auf den Sinn des Lebens, die menschliche Existenz, die Zeit, das Licht, das Universum und die Vergänglichkeit. Ganz nebenbei bauten wir eine Sauna, die pünktlich zum Ende der residency an die Hausbewohnerinnen übergeben werden konnte. Freundinnenschaften entstanden und weitere künstlerische Kooperationen sind bereits geplant. Mein Dank gilt den Betreiberinnen und Organisatorinnen, welche mit ihrer Energie, ihrem Engagement und ihrer Expertise die Grundlagen für diese intensive Zeit legten sowie meinen Mitbewohnerinnen in Libken für diese wunderbare, unvergessliche und einzigartige Zeit.


Foto oben:
Ika Nurcahyani

Beschreibung:
GoArtist ist ein fortlaufendes künstlerisches Forschungsprojekt, begonnen 2019 auf Einladung des Goethe-Instituts Indonesien am Cemeti - Institute for Art and Society Yogyakarta.

Fotos unten:
Sophie Innmann, © 2025 VG Bild-Kunst, Bonn

Beschreibungen:

  1. Sophie Innmann, Feldblende (Die Augen), 2025, Full HD Video, 18:37 Minuten. Ausstellungsansicht open studio BBK Brandenburg, Libken e.V., 2025
  2. Sophie Innmann, 20250410-1831-1854-LibkenC5, 2025, Full HD Video, 22:50 Minuten. Ausstellungsansicht open studio BBK Brandenburg, Libken e.V., 2025
  3. Sophie Innmann / Jitka Králová / Belia Zanna Geetha Brückner / Markéta Fagan / Katarzyna Łyszka Łyszkowska / Gabriela Piwar, Sauna, 2025, Haselnusszweige, Lehm, Stroh, Ofen. Schenkung an Libken e.V., 2025

Für das Bild liegt keine Beschreibung vor.