Im „Labor für gelungene Abhängigkeiten“ würde ich gerne der Frage nach Agency innerhalb neuartiger und zukünftiger Verschränkungen von Mensch und Technik nachgehen. Zusammen mit den Teilnehmer:innen möchte ich den Begriff der Agency diskutieren und auf gegenwärtige Mensch-Technik Beziehungen anwenden. Gemeinsam könnten wir eine Assemblage anfertigen, die die Netzwerkstrukturen zwischen den unterschiedlichen menschlichen und nicht-menschlichen Akteur:innen sichtbarere und damit zugänglicher macht.
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Viele unserer gesellschaftlichen Rollen tragen ein Selbstverständnis unserer Selbst in sich, dass ein autonomes Handeln und damit eine volle Selbstverantwortung vermittelt. Das drückt sich im rechtsstaatlichen Prinzip aus, welches auf Gesetzesbasis die Bürger:innen als verantwortliche Personen identifiziert die auf Grundlage ihres Handelns be/verurteilt werden. Es drückt sich aber auch in Situationen wie einem Patient:innen - Arzt:innengespräch aus, in dem Agency und damit Verantwortung bei Expert:innen gelagert wird, jedoch ein erweitertes Netzwerk aus maschinellen, institutionellen und ideologischen Akteur:innen meist ausgeklammert wird, bzw. nicht bewusst reflektiert wird. Nun mag eins sagen, dass dies aufgrund der Komplexität auch gar nicht anders möglich wäre, dass eins sich nie auf die fast unendliche Kette an Akteur:innen berufen kann und diese in Entscheidungssituationen mit einbeziehen kann. Dies trifft meiner Meinung auch zu, dennoch ist festzuhalten, dass menschliches Handeln immer teilsouverän gesehen werden muss und damit eine zumindest abgrenzbare Assemblage aus menschlichen wie auch aus nicht-menschlichen Akteur:innen - die jeweils für sich genommen alle gleiche Agency besitzen - miteinbezogen werden müssen.
Zukünftige Mensch-Technik Beziehungsgeflechte in denen technische und organische Akteur:innen wie bspw. ein Brain-Computer Interface beteiligt sind, bringen die Fragestellung der Agency und damit auch die kritische Selbstreflektion der Vorstellung eines „autonomen Ichs” auf ein existentielles Maß. Es geht in aktuell diskutierten Vorstellungen und Plänen von zum Beispiel Unternehmen wie Facebook oder Neuralink ja so weit, dass von Brain Networks gesprochen wird. Kollektiv Verbünde von komplexen organischen und anorganischen Akteur:innen, die menschliche kognitive Vorgänge paaren und in ein neoliberal geprägtes Unternehmensnetzwerk integrieren wollen. Spätestens hier wird klar, dass die Fragestellung nach „wer handelt hier” auf mehreren Ebenen sehr komplex zu beantworten wird - war es ein bewusster Entscheidungsprozess eines Gehirns, einer Person, war es der Algorithmus der dies richtig oder nur graduell richtig interpretiert hat und welcher Übertragungsweg hat letztlich zu welcher Welthandlung geführt und war dies nun ein individueller Entscheidungsvorgang oder eine kollektiv über weitere Gehirn-Computer Verbindung herbeigeführter Entscheidungsprozess?
Derzeit forsche ich künstlerisch auf der Basis von Lems Kurzgeschichte „Existieren Sie, Mr. Jones?“ zu dem Thema Agency. Mr Jones bekommt in der Geschichte eine Prothese nach der Anderen anstelle seines Körpers ersetzt, bis er letztlich nur noch aus Prothesen besteht. Da er die Prothesen irgendwann nicht mehr bezahlen kann, verklagt der Prothesenhersteller Mr. Jones auf Rückgabe der Prothesen und zerrt ihn deswegen vor Gericht. Das Stück, welches ich als Theaterstück inszenieren möchte behandelt diesen Streitfall zwischen Mr. Jones und Prothesenhersteller, indem der Richter entscheiden sollte inwieweit ein Prothesengefüge wie Mr. Johns als "Person" überhaupt verklagt werden kann und somit über die Frage „Was ist der Mensch" und wie wir unser menschliches Selbstbild im Zuge tiefer Mensch-Maschine Beziehungen definieren - ja, ob eine Grenzziehung überhaupt möglich ist. Im Rahmen der künstlerischen Forschung habe ich versucht die Kurzgeschichte auf die Gegenwart zu übertragen und habe Interviews mit
Wissenschaftler:innen, Betroffenen und Entwickler:innen geführt. Im „Labor für gelungene Abhängigkeiten“ möchte ich meine Vorstellung von Agency anhand der Kurzgeschichte kurz skizzieren und Ausschnitte aus den Interviews vorstellen.
